Chatami-Besuch
West-östlicher Dialog in Weimar: Chatami und Rau enthüllen
Hafis-Goethe-Denkmal
Der iranische Staatspräsident Mohammed Chatami und Bundespräsident
Johannes Rau haben am Mittwoch in Weimar ein Hafis-Goethe-Denkmal eingeweiht.
Es soll die Geistesverwandtschaft zwischen Goethe und dem persischen
Nationaldichter Hafis über zeitliche, räumliche und religiöse
Grenzen hinweg symbolisieren. Der deutsche Dichter (1749 bis 1832) war durch
die Verse von Hafis (um 1320 bis 1388) zu seiner Gedichtsammlung
"West-östlicher Divan" inspiriert worden. Bei der Enthüllung
des Denkmals bezeichnete Chatami die Zwiesprache beider Dichter als ein
"schönes Beispiel des Umgangs zwischen Ost und West". Rau sprach
von dem "schönsten Beispiel eines gelungenenen Dialogs zwischen
Deutschen und Persern" und fügte hinzu: "Ich betrachte das Denkmal
als Aufforderung, den Dialog wieder aufzunehmen. Lassen Sie uns das
Gespräch im Geiste von Hafis und Goethe führen."
Das Denkmal besteht aus zwei steinernen Stühlen, die aus einem einzigen
Granitblock heraus geschnitten wurden und eine Ost-West-Achse bilden. Der
bronzene Teppich ist mit persischer Ornamentik gestaltet. Im Zentrum steht
ein Vers von Hafis in persischer Kalligrafie. Die Enden der Ornamentplatte
sind mit zwei Goethe-Gedichten aus dem "West-östlichen Divan" versehen.
Darunter befinden sich die Verse "Wer sich selbst und andre kennt / Wird
auch hier erkennen / Orient und Okzident / Sind nicht mehr zu trennen".
Obwohl Hafis nur einen Gedichtband hinterließ, gilt der Freigeist als
der bedeutendste persische Lyriker. In seiner Geburtsstadt Schiras soll bald
ein Zwillingsdenkmal aufgestellt werden.
Am Vorabend haben Deutschland und Iran die Weichen für eine
entwicklungspolitische Kooperation gestellt. Nach einem Treffen mit Chatami
sagte Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) in Berlin,
Ziel der Bundesregierung sei es, "durch den Dialog zwischen den Menschen in
beiden Ländern den demokratischen Reformkurs des Präsidenten
Chatami nach Kräften zu unterstützen". Besonders beim Austausch
von Studierenden sowie bei der Berufsaus- und Fortbildung in Iran und
Deutschland wollten beide Länder kooperieren. Angestrebt ist auch eine
Zusammenarbeit bei der Lösung von Umweltproblemen, vor allem der Luft-
und Wasserreinhaltung. Zudem habe Iran großes Interesse an der
Förderung deutsch-iranischer Joint Ventures und öffentlich-privater
Wirtschaftskooperationen, erklärte die Ministerin.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat am Mittwoch in Weimar
gegen die Verfolgung von Juden und Bahais im Iran protestiert.
Teilnehmer einer Mahnwache forderten vom iranischen Präsidenten
Reformen zum Schutz religiöser Minderheiten. Der
Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation, Tilman Zülch,
verlangte die sofortige Freilassung von zehn iranischen Juden, die wegen
Spionage zu vier bis 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden waren.
Vertreter der Bahai forderten das Recht, ihren Glauben frei und
ungehindert ausüben zu können. Sie gelten mit 300.000
Anhängern als größte religiöse Minderheit im Iran.
Seit der islamischen Revolution 1979 seien mehr als 200 Bahai
hingerichtet worden, elf säßen derzeit in iranischen
Gefängnissen, erklärte Zülch. Die Zahl der Juden habe
sich dort seit der Revolution auf etwa 35.000 halbiert.
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