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...
Von Medizin gelangte er zur Beschreibung der Stadt
Zendschans, deren Merkwürdigkeiten und letzte Begebenheiten, von welchen das meine Aufmerksamkeit am
meisten fesselte, was er mir als Augenzeuge von der
Revolution und dem Strassenkampfe der fanatischen
Sekte der Babis erzählte, einer Sekte, von der wir in
unserer Reise von Mazendschan ausführlich sprechen
werden, und die hier eine bedeutende Rolle spielte. Als
wir von dem mit Ruinen dicht bedeckten Aeussern
der Stadt Zendschan ins Innere uns begaben, wurde mir
jeder Punkt als ein Schauplatz der Heldenthaten jener
Wildbegeisterten gezeigt. Hier soll Einer gegen 40 gekämpft,
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dort soll eine übernatürlicbe Gestalt sich gezeigt
haben; es war des Ausserordentlichen gar viel, das er
über die Babis wusste, doch so viel schien mir gewiss,
dass der Kampf hier ein harter war, denn obwohl schon
mehrere Jahre seit den Wirren vergangen, so trägt Zendschan doch noch starke Spuren derselben. Auf meinem
Wege zum Karavanserai fielen mir am meisten die in
der Stadt an vielen Orten erhobenen langen Stangen
mit schwarzen Flaggen auf. Es war die ersten zehn Tage
des Monats Moharrems, während welchen man im ganzen Islam sich besonderer Festlichkeiten enthalt, hier
aber in der Schiitenwelt hält man sich schon einen Monat früher in Trauer und beschäftigt sich blos mit Fasten,
£legienrezitirung und Tazie-Beiwohnung. Die Stangen
bezeichneten jene öffentlichen Orte, wo letztgenannte
theatralische Vorstellung gegeben werden soll und sind
auch in den Nachmittagsstunden von einer grossen Masse
der Frommen umgeben. Alle Welt sprach von einem
berühmten Sänger, der in der Rolle Ali Ekbers sich auszeichnend, heute bei der Tazie des (Jouverneurs debutiren sollte und man kann sich leicht denken, dass ich,
kaum im Karavanserai angekommen, nichts sehnlicher
wünschte, als derselben beizuwohnen, da die Zeremonie,
welche ich im kleinen Nikbeh gesehen, meine Neugierde
im höchsten Grade erweckte.
...
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vernahm, dass Scheich Tabersi, die berühmte Festung
der Babia, jener Beiigionsschwibnneri die einst die gam
ümgebnng mit Schrecken erfüllten, ancb Uer in der
Nähe sei, so hatte ich eine wahre Freude aus dem Munde
einiger Angenaseugen über die Kämpfe dieser berühmten
Fanatiker spredien sra hören. J% die Sekte der Babi's ist
eine seltene Erscheinung in der Kulturgeschichte Persiens und da die Geschichte des Auftretens und Untergdiens dieses notorischen Propheten anch ßkr meine
▼aterUadischen Leser von Interesse sein mag, so wollen
wir hier einen kleinen Abstecher machen und während
unsere Karavane auf dem Wege nach Sari langsam hinsieht, wollen wir eniihleny wer dieser Bab war, wie er
sa so hohem Rufe kam nnd wie er unterging.
Bab und Babi's.
In Schiras lebte 184d ein jonger Hollah, Namens
Mirza Ali Mohamed, der durch sanen Scharfsinn, seine
Bewandertheit in den heiligen Büchern, sein angenehmes
Auessere, seine wohlklingende Stimme nnd sonstige
grosse Rednergaben sich schon fruh im Kreise seiner
Bekannten hervorthat. Zu diesen Eigenschaften gesellte
sich noch der Umstand, dass er als Seid seine Abkunft
in erster linie von der Familie des Propheten ableitete
nnd die doppelte Achtung vor sriner Indiyidnalitttt sowohl als vor seinen Fähigkeiten hat das von Natur aus
erhitzte Gemüth des jungen Mollahs auf gar sonderbare
Gefühle der Selbstbewonderang andSelbstübenchätBong
gebracht. Sich nicht begnügend mit dem gewöhnlichen
Lauf der Studien, welchen die Religionsgelehrten in Fernen obliegen, fing er schon frühzeitig an sich mit Rumuzat d. h. verborgenen Wissenschaften an beschäftigen,
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verkehrte viel mit Gebern, Juden und Armeniem und
da er, mit dem alten Zustande der Dinge nnsnfrieden,
stets im Grübeln naeh Nenem und Ausserordentlichem
sich vertiefte, da er mit einem Worte im Wahne seiner
Grösse auch mit dner ttberraachenden Produktion seiner
Gmtesfiihigkeiten hervortreten wollte, so hatte den feurigen Südländer schon früh die Idee beschlichen, das
alte religiöse Gebäude des Islams über den Haufen zu
werfen, an dessen Stdle einen neuen Glauben su
errichten und sich sls Plropheten dieser neuen Lehre
der Welt zu zeigen. Dass man mit diesen Ansichten
im islamitischen Osten nicht so plötslich hervorrücken
kann, wird Jeder leicht einsehen und Seid Ali Mohamed wusste dieses am allerbesten. Um sich seine fernere Macht zu verbürgen, durfte er seinen Ruf als
frommer begeisterter Schiite nicht im vorhinein zerstören. Er führte deshalb lange Zeit ein strenges Ascetenleben, hielt Mohamed und die Imame für Gegenstäude
seiner tiefsten Verehrung und um im Lichte eines von
Gott begeisterten Mannes nodi besser prsngen su können, trat er sogar eine Pilgerrrise nach Mekka an. Von
da ging er nach Bagdad, um die in der Umgebung befindlichen heiligen Orte der Schiiten su besuchen. Auf
dem Wege hatte er es immer verstanden dne neugierige
Menge seiner Landsleute an mch su locken. Seine begeisterte Rhetorik soll Wunder gewirkt haben und man
ersfthlt, dass Leute, die su ihm gingen, um sich im Islam unterrichten su lassen, durch die Macht seiner Worte
derartig bethört worden, dass sie im Feuer ihres Enthusiasmus es kaum bemerkten, dass der Mollah, anstatt
sie in ihrem Glauben su stttrken, eben von demselben
abgelenkt hebe. Von den Ufem des Tigris nach seiner
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Vaterstadt anirückgekehrt, hatten seine ßeiaegefährteny
welche seine eriten Anhänger waren, ihm bald dne
grosse Zahl von Proselyten verschaft. Von Grundung
einer neuen Religion war öffentlich noch nicht die
Rede. Man erzählte sich nur, dass Hadschi Ali Mohamed gar wunderlich schöne Dinge spreche. Sein Hann
war daher bald bestürmt von Zuhörern, auf der Strasse
zeigte er sich stets in grosser Begleitung aller Klassen der Bevölkerung, Mollahs sowohl als Handwerkern und Bauern, und wie man mir in Schiras erzahlte,
war es zu dieser Zeit nicht so sehr die Idee einer
neuen Religion, als seine schlagende Logik, mit der
er die Missbrauche der ubrigen Mollahwelt rügte, seine
kühnen Behauptungen über manche sweifelhaften Stellen in der heiligen Schrift, von welchen alle Welt
sprach. Dass diese Mollahs bald seine bittersten Feinde
werden mussten, ist begreiflich; er wurde von ihnen für
dnen Verführer erklärt und als ein Ketzer verachtet,
was ihm aber bei seiner Partei, da die herrschenden
Hollahs in Iran nicht besonders beliebt sind, um so
mehr Ansehen yerschaffbe. Als er in mehreren öffentliehen Disputationen die ersten Notabilitäten der ülemawelt Schiras durch seine unvergleichliche Beredsamkeit
schlug und dieser Sieg ihm die Palme der unbestritten
nen Superiorität brachte, so fing unser Schwärmer auch
bald an mit seinen wirklichen Absichten hervorzutreten. Er deutete darauf hin, dass nicht nur die Mollahs
von Schiras, nicht nür die Hollahs von Iran, sondern
sämmtliehe Hollahs im Islam im Irrthume wären und
dass er, im Besitze des Diamanten des wahren Glaubens,
denselben bald derartig werde glänsen lassen, dass seine
Strahlen die Rechtgläubigen aus den fernsten Regionen
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zu ihm locken und die Widerspenstigen mit Verblen-
dung bestrafen werde. Ja er ging bald noch weiter und
das Verhältniss zwischen ihm und dem Allmächtigen
seinen entflammten Jüngern einmal schildernd, soll er im
Arabischen ausgerufen haben: "Hu el ilm, ve ena babi
hi, (er ist die Wissenschaft, ich bin seine Pforte") d. h.
wenn ihr zu ihm gelangen wollt, könnt ihr nur durch
mich dahin kommen. Und da er sich mit dem Prädikate
von Bab (Pforte) bezeichnete, so wurde dieses bald sein
gewöhnlicher Name und Babi hiessen die Bekenner seines Glaubens.
Es ist wahrlich sonderbar, wie die Perser, die doch
dem Anscheine nach eifrige Mohamedaner sind, und
besonders ihrer Sekte mit einem seltenen Fanatismus
anhängen, den mit ihren frühem Glaubensgrundsätzen
ganz widersprechenden Lehren des neuen Propheten
sich so blindlings ergeben konnten und es bestätigt dieses am allerbesten meine oft geltend gemachte Ansicht,
dass sie trotz aller äussern Bigotterie die schwächsten
Mohamedaner im Osten sind, Ihr leicht zu entflammendes Gemttth findet in Neuerungen und in Ausserordentlichkeiten befriedigenden Genuss, und wenngleich nur
Wenige die Essenz der babischen Lehre verstanden und
sich vielleicht in dieselbe auch nicht vertiefen wollten,
so wurden sie demungeachtet seine eifrigen Anhänger,
betrachteten ihn als ein übernatürliches Wesen, und
beehrten ihn mit dem Titel Hazreti Ala (die höchste
Hoheit).
Die Behörde von Schiras, die das Auftreten Bab's
lange als einen unschuldigen Spass betrachtete, kam
erst später, als Bab's Macht schon bedeutend angewachsen, zur Besinnung. Der Gouverneur Hirsa Hussein
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Chan beschloss im Vereine mit den geistlichen Autoritäten die Sachlage dem Hofe von Teheran m unterbreiten, bei welcher Gelegenheit man natürlich mit den
schwärzesten Farben die Gefahren malte, die durch das
Auftreten des ketzerischen Seids der wahren Religion
drohten. Aber Bab selbst, dem dieses sogleich hinterbracht wurde, gerieth nicht im mindesten in Verwirrung. Auch er schrieb einen Brief an den König und
dessen Minister, äusserte sich in bittem Klagen über
die Verworfenheit der ülemas und sagte, dass er, durch
eine göttliche Mission aufgefordert, diesem Uebel abhelfen wolle. Er wisse, dass seine mächtige Gegenpartei ihm
grossen Kampf verursachen werde, doch vertraue er der
Gerechtigkeit seiner Sache, für welche sowohl er, als
alle seine Gefährten gerne ihr Leben aufopfern. Es
regierte damals der schwache Mehemed Schah oder besser gesagt, sein Minister Hadschi Mirza Agasi, dessen
bizarre Ideen über Religion, dessen Anhänglichkeit an das
Sofiwesen und merkliche Freundschaft mit den Gebern
die acht muselmannische Welt ohnehin erbitterten. Wie
vorauszusehen war, hatte dieser Minister trotz aller Einflüsterunfjen der hohen Molhihs dem Schiraser Seid nicht
nur nicht mit genügender Strenge begegnet, sondern wie
Viele behaupten, im Verborgenen noch Schutz angedeihen lassen. Statt ihn aus dem Wege zu räumen, wurde
er zu Hausarrest verurtheilt, welche gelinde Behandlung seine Anhänger noch mehr frohlocken machte und
die Zahl der durch ihn Bekehrten vermehrte sich wirklich von Tag zu Tag. Auch Bab selbst sprach klarer
und deutlicher über seine Mission, ja er bewegte sich
ganz frei und vermochte seine Lehre nicht nur in der
nächsten Umgebung, sondern in allen Theilen des Reiches
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durch ausgeschickte Apostel zu verbreiten. Unter
diesen letztern that sich besonders ein gewisser Moliah
Hussein Buschrevie hervor, dessen grosse Fähigkeiten
selbst seine Feinde anerkennen. Er kam von Chorasan,
wo er seine Jugendjahre mit Religionsstudien und Kasuistik verlebte, nach Schiras, machte Bekanntschalt
mit der Hochsten Hoheit und ward sogleich einer seiner
thätigsten und eifrigsten Helfershelfer. Auf seiner Rückreise trat er in Is&han öffentlich auf, und erwarb sich
eine beträchtliche Zahl von Anhängern, so auch in Kaschan und Teheran, wo er ein so grosses Aufsehen erregte,
dass selbst der König ihn zu sehen wünschte. Auch diesem und seinem Minister machte er Bekehrungsvorschläge, indem er ihnen das neue Religionsbuch seines
Chefs einhändigte. Wie uns Graf von Gobineau erzählt,
soll er unter andern auch darauf hingewiesen haben,
dass man in Hinblick auf die immer wichtiger werdenden Beziehungen zwischen Iran und Europa einer solchen
Religion bedürfe, die die separatistischen Ideen, als: die
Verabscheuung des Frengi als unrein, die Vielweiberei
u. s. w., aus dem Wege räume und dass eine derartige
Idee schon drei grosse Monarchen MitteLiäieiis, naiulich:
den Grossmogul Schah Achbar, Schah Ismael und Nadir
Schah beseelt hätte. Bab strebe nun nichts anderes als
eine derartige Fusion an und sollte der König ihm üntersttttzung leisten, so würde er sich mit unvergänglichem Ruhme krönen. Mehemed Schah, ein Orientale
pur sang, dem das laisser aller am allerliebsten war,
strebte nach ganz andern Dingen, als die ihm Mollah
Hussein versprach. Er wollte nur von den Qualen der
heftigen Gicht befrdt sein, die ihn peinigten, er wollte
Ruhe und ohne gegen das Auftreten Bab's mit besonderer
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Erbitterung erfüllt zu sein, waren diese weitgreifenden beunruhigenden Worte genug, um Moliah Hussein
anzuzeigen, dass es ihm, wenn er nicht augenblicklich
sammt seinen Angehörigen Teheran verlasse, schlecht
ergeben werde. Dieser entfernte sich, doch der gezeigte
Widerstand vermehrte nur seinen Eifer und wo er immer
im Lande sich zeigte, konnte die Kraft seiner Worte
Viele zur neuen Lehre bekehren. Er wurde nach Bab als
zweite Perstm betrachtet und man betitelte ihn den
Stellvertreter der Allerhochsten Hoheit.
Ausser diesem gab es aber noch zwei Haupträdelsfuhrer. Der eine hiess Hadschi Mohamed Ali Barfuruschi
(nämlich aus Barfurusch in Hazendran und der zweite,
oder besser gesagt, die zweite eine Frau aus Kazviu,
deren eigentlicher Name Zerm Tadsch von ßab in Gurretül Ain, das heisst Augeubleude, verwandelt wurde. Von
der Schönheit und den Geistesföhigkeiten dieser letzteren Frau werden Wunderdinge erzählt. Sie war die Tochter eines Mollahs, hatte sich schon früh mit Theologie
beschäftigt und wurde, naclidem sie die Lehren des
neuen Propheten erfasst, eine seiner eifrigsten Bekennernnien. Dem Flehen ihres Vaters, Onkels und Geuials
widerstehend, bekannte sie sich öffentlich zur neuen Religion, zeigte sich ohne Schleier auf öffentlichen Plätzen
und verkündete überall laut die Lehre, von deren Vortrefflichkeit sie durcli uud durch überzeugt war. Es war
dies in der Islamwelt Irans eine seltene Erscheinung.
Eine schöne, junge Frau, nicht nur gebildet, sondern
gelehrt, die unverschleiert, aber mit seltenem tugendhaften Charakter umherzog, uud es war kein Wunder,
wenn ihr apostolisches Auftreten Ausserordentliches
wirkte.
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Diese drei theilten unter sich die Bekelirung ganz
Irans und es ist wahrlich merkwürdig, wie die Regierung sowohl in den letzten Jahren Mehemed Schahs als
auch zu Anfang der Tlironbesteigung Nasr-ed-din's mit
ruhigem Auge zusah, wie Bab durch seine Agitatoren
das Land in allen Richtungen unterminirte, wie er
durch seine neuen Lehren nicht nur zwischen Volk und
Behörde, sondern auch zwischen den einzelnen Mitgliedern derselben Familie Zwietracht säete und damit
Unheil stiftete, ja, wie er Iran ganz gemächlich zu einer
grossurtigen lievohition vorbereitete. Die ersten üfFentlichen Unruhen brachen in Chorasan aus. Mollah Hus-
sein, der sich dort an die Spitze der Neubekehrten stellte,
hatte der Regierung, die ohnehin mit Bekämpfung des
empörten Salärs beschäftigt war, viel zu schaffen gegeben. In Mesched sowohl, als in Nischabur kam es in
den offenen Strassen zu mehreren Gefechten. Die Babi's
waren von dem Momente, da sie die neue Lehre annahmen, auch erbitterte Vertheidiger derselben und Mullahs und ruhige Kaufleute, die früher Waffen nur selten
handhabten, wurden durch den Eifer für die neue Reilgion in tapfere Krieger verwandelt. In Chorasan jedoch
konnte Moliah Hussein Buschrevi keine Aussicht auf
eine grosse Partei erlangen. Er zog sich deshalb mit den
Sdnigen nach den Gebirgen Mazendrans zurück, wo seine
Bestrebungen ein glänzender Erfolg krönte. Denn kaum
war er einige Wochen dort, als sich eine solche Menge
des Volkes zu ihm bekehrte, dass der Gouverneur Chauler Mirza, einer fernem Vertheidigung der Provinz unfähig, bald in Teheran um Hilfe bitten musste. Ein
regelmässiger Feldzng wurde gegen die neuen Anhänger
geführt. Obwohl das Kriegsglück immer den schwärmerischen
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Religionskämpfern günstig war, so zwang sie
doohdie Uebermacht sich zurückzuziehen, und da Schlupf
winkel im gebirgigen und waldigen Mazendran nicht
schwer zu finden sind, so hatten sie den auf dem Wege
zwischen Sari und Bariurusch befindlichen Wallfahrtsort Scheich Tebersi zu ihrem festen Platze auserkoren.
Hollah Hussein, der wie immer an der Spitze stand, liess
den Ort befestigen. Gräben wurden um denselben gezogen und in kurzer Zeiten hatten die kampfiiihigen Babi's
ihn mit Spdsevorrath derartig versehen, dass sie eine
beträchtliche Zeit auch den heftigsten Angriffen widerstehen zu können glaubten. Von hier aus wurde die
Bekehrung in der Provinz immer lebhafter betrieben.
Die beiden Führer Mollah Hussein Buschrevi und Mohamed Ali Barfuruschi waren unermüdlich in ihrem
£ifer und man erzählt auch Wunder von der blinden
ünterthftnigkeit, mit welcher ihre Befehle befolgt wurden. Als sie später, zernirt, hart l)edrängt, viel zu leiden
hatten, zeigte sich auch die Entschlossenheit und Todesverachtung unter ihnen in solch glänzender Weise, wie
sie sonst bei Orientalen nur erhitzter Religionseifer hervorzubringen vermag. In Folge der Energie des Emir
Nizams, des tüchtigen Grossvesiers bei der ThronbesteigungNasreddin Schahs, zog eine grössere Armee zur Einnahme Scheich Tabersi's. Anfangs gelang es den Babi's
mehrere glückliche Ausfälle zu machen, bei denen sie unter den Fersern schreckliche Verwüstungen anrichteten.
Die Grausamkeiten, die bei derartigen Kämpfim auf beiden Seiten ausgeübt wurden, werden noch heute in Mazendran mit den gräulichsten Farben geschildert. Bis
endlich die Zahl der halbtoUen Babi's sich immer mehr
verminderte, bis endlich Hollah Hussein Buschrevi selbst
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im Kampfe fiel uud die übrig gebliebenen, vom Hunger
gepeinigten den letzten Verzweiflungskanipf aufnahmen,
gelang es den königlichen Truppen dieses Nest, das weit
und breit Schrecken verbreitete, einzunehmen, doch nur
Uber den Leichenhaufeu der fanatischen Vertheidiger
konnten sie den Weg dazu finden.
Während dieser Kampf in Mazendran ganz Tran in
gespannter Neugierde erhielt, lebte Bab selbst internirt
in seinem eigenen Hause in Schiras mit Wenigen verkehrend, wenn nicht mit übernatürlichen Geistern, wie die
Seinigen behaupten, und wirklich niuss er nun selbst an
die Wahrheit seiner Mission geglaubt haben, denn ist es
nicht wunderbar, dass während er dort im Stillen sass,
seine Lehre in allen Theilen des grossen Reiches unter
allen Ständen sich immer mehr verbreitete. Es waren
nicht nur Bauersleute, sondern viele Mollahs, ja besonders Seide, die dieser neuen Lehre zufielen und seihst
die Juden Persiens hatten sich für dieselbe interessirt.
Viel hatte zu ihrer Ausbreitung beigetragen, dass unter
ihren ersten Vorkämpfern energische Männer waren,
wie Mollah Hussein Buschrevi, der es selbst mit dem
Schah aufzunehmen wagte, und die häufigen Niederlagen
der königlichen Truppen waren die beredtesten Wunderthaten der neuen Lehre.
Kaum waren die Flammen der Revolution mit mächtigen Blutströmen in Mazendran unterdrückt, als sich
der Kampf an einem andern Orte mit nicht weniger
Erbitterung entspann. Es war dies in Sendschan, der
Hauptstadt des gutbevölkerten Distriktes von Chamsa,
wo Mollah Mohamed Ali Zendschani mit eben solch
erstaunlicher Energie, wie sein Glaubensgenosse in
Mazendran, die Bevölkerung erst gegen den dortigen
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Gouverneur, später gegen eine grosse von Teheran gesandte Trappe aafUhrte. Man findet noch beute allenthalben die Spuren der Verwüstung, welche dieser fürchterliche Kampf in Sendschan nach allen Richtungen
anrichtete. In der Zitadelle der genannten Stadt verschansst, führten die Babi's, welche grösstentbeils aus
fHedlichen Bürgern sich rekmtirten, mit unerhörter
Erbitterung den Kampf, leisteten Wunder der Tapferkeit, bis auch sie endlich, von der Ueberzabl der königliehen Truppen hart bedrängt, sich nur dem Verzweiflungskampfe hingaben. Bei einem solchen wurde nun
Mollah Mohammed Ali schwer verwundet und als er nach
einem mehrtägigen Leiden sein Ende herannahen fühlte,
versammelte er die Obersten seiner Anhänger um sein
Sterbelager, gab ihnen unter Kanonendonner seine letzten Instruktionen; "er forderte sie auf", erzählt uns
Graf Gobineau, "sich durch seinen Verlust nicht entmuthigen zu lassen und bis zu Ende dem Feinde zu widerstehen. Er bewies ihnen, dass dies ein übrigens nicht sehr
kostspieliges Heldenstück wäre, denn was ihn betreffe,
werde er nach 40 Tagen wieder auferstehen und sie
selbst werden den Tod nicht viel härter empfinden. Er
ermahnte Jeden lächelnd, sich fröhlich und wohlaufgelegt zu zeigen; denn nichts darf betrüben, sagte er,
in derartigen Torttbergehenden Zufällen. Sa sprechend
gab er seinen Geist auf." Er wurde in den Kleidern mit
dem Schwerte an der Seite begraben. Doch seine Abwesenheit aus der Reihe der Kämpfer machte sich bald fühlbar. Die königlichen Truppen gewannen immer mehr an
Terrain und die fanatischen Anhänger Bab*s, zur Strekkung der Waffen genöthigt, wurden trotz des versprochenen Pardons auf die grausamste Weise hingemetzelt.
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Auch an andern Orten gab es weniger bedeutende
Aufstande und det schon genannte ener^sche Premierminister Persiens dachte, es sei hohe Zeit dieses Uehel
von der Wurzel ans zu vertilgen. Der Prophet von
Schiras wurde in seiner eigenen Wohnung gefangen
genommen, erst nach der Zitadelle Tschcgrek in Gilan gebracht, von wo er zusammen mit zwei seiner treuesten
Bekenner nach Tebris in die Zitadelle versetzt wurde.
Hier lud man ihn erst vor eine grosse Versammlung
der ersten und gelehrtesten Hollahs der Stadt, die die
Falschlieit seiner Lehren aussprechen sollten, um auf
diese Weise im Auge der Bevölkerung sein Ansehen zu
vernichten. Bab bestand die heftige Kontroverse mit
merklichem Genie und Geistesgegenwart, doch da er
eines grellen Irrthums überwiesen werden musste, so
halfen alle seine Anstrengungen nichts und als Ketzer,
Verführer und Rebell gegen König und Religion angeklagt, wurde er zum Tode verurtheilt. Um die Welt von
der Sterblichkeit des Propheten zu überzeugen, wollte
man die £xekution unter möglichster Oeffentlichkeit
ausführen. Seine swei treuen Schüler begleiteten ihn
auf dem letzten Wege. Der eine, Namens Aga Seid Senveizi, fiel von Martern und Qualen erschöpft zur Erde
und weinte bitterlich. Man versprach ihm Pardon unter
der Bedingung der Abnegation und Beschimpfung Bab's.
Von Schmerz überwältigt, vergass sich dieser und
spuckte seinem Herrn ins Gresicht, worauf er entlassen
wurde. Er floh nach Teheran, doch hat seine spätere
Reue ihn zu einem noch wildern Babi gemacht und er
starb auch einen der schrecklichsten Martertode. Der
zweite Schüler war aber ganz standhaft, er wurde neben
seinem Meister an die Wand gelehnt, um erschossen zu
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werden. Beide wartin mit Stricken gebunden und man
stelle sich die ausserordentliche Verwunderung vor,
als nach den Schüssen, die eine ganze Compagnie auf
beide Delinquenten abfeuerte, man aus dem dichten
Qualme Bab, den Propheten selbst, unbeschädigt und
unversehrt hervortreten sah. Die Kugeln hatten auf
eine fiist unglaubliche Weise sämmtliche Stricke, mit
denen er gebunden war, zerrissen, ohne ihn im mindesten beschädigt zu haben und da er von der Feme
ein Wachhaus sah, so stürzte er in aller Eile sich in
dasselbe.
Hätte Bab genug Greistesgegenwart gehabt, in diesem
Momente der äussersten Verwunderung der grossen
Menge, unter welcher er gewiss auch Anhänger hatte,
sich als einen durch ein göttliches Wunder Geretteten
zu zeigen, dieselbe zu harangiren, so ist es gar keinem
Zweifel unterworfen, dass weder die Truppen, noch der
König, ja irgend eine Macht ihn ein zweites Mal hKtte
vor den Tod stellen können. Doch die Qualen der letzten Stunde hatten ihn aller Geistesfähigkeit beraubt, er
wurde ergriffen, ein zweites Mal angebunden und wenn
man auch jetzt nur mit Mühe Leute fand, die auf
ihn schiessen wollten, so hatte die zweite Decharge
dennoch seinem Leben ein Ende gemacht Er fiel zusammen und seine Leiche wurde drei Tage lang, um
das Volk genau zu überzeugen, in allen Strassen herumgeschleppt.
Bab war todt, doch das Feuer seiner Anhänger
war mit seinem Hinscheiden nicht nur nicht erloschen,
sondern es loderte mit doppelter Wuth auf in Liebe
für den gefallenen Märtyrer und in Bache gegen seine
Henker.
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Der jugendliche König Nasreddin Schah, den man
immer anspornte die Babi*s energisch zu verfolgen, Hess
auch wirklich alle erdenklichen Grausamkeiten an diesen
verüben, welche die RachegefUhle nur noch mehr anfachten und der König selbst entkam nur mit grosser Mühe
den Gefahren eines Attentates, welches einige entschlossene Babi's an ihm ausführten. Von Zeit zu Zeit tauchen
immer neuere Gerüchte über Verschwörungen und
Attentate dieser geheimen Sekte auf und die leichteste
Ahnung genügt, um ganze Familien ausrotten zu lassen.
Als unerhörte Tortur wird selbst von den Persern die
Hinrichtung eines gewissen Suleiman Chans betrachtet,
der als Hauptverschwörer der Schuld überwiesen und
zum Tode verurtheilt wurde. Suleiman Chan, ein wohlbeleibter Mann, hatte zuerst vier Schnitte in die Brust
bekommen, in welche brennende Kerzen gesteckt wurden
und man führte ihn so lange im Bazar herum, bis das
Wachs der Kerzen von den Flammen verzehrt war und
der Docht sich später am herausfliessenden Fett des
Delinquenten nähren musste. Darauf wurde ihm glühende
schwere Hufeisen auf die nackten Fusssohlen angeschlagen und aufs Neue wurde er herum geführt, bis man
ihm endlich alle Zähne vom Munde herausriss und in
der Form eines Halbmondes auf den Schädel einschlug.
Da starb er erst. Es waren nicht nur Männer, nicht nur
Greise, sondern selbst Kinder und Frauen, die den Martertod des Babithums mit seltenem Stoizismus ertrugen.
Viele wollte man retten, indem man sie zur Abschwörung aufforderte, doch selten, ja fast nie gelang es ein
Mitglied abtrünnig zu machen. Der Tod, nach ihren
Begriffen ein sehnsuchtsvoll erwünschtes Ende, ein nur
vorübergehender Schlaf, aus dem sie bald erwachen
300
8ollteii| wurde Ton Vielen auf alle mögliche W^se ge-
sucht und ttberaus glücklich schätzten sich diejenigen,
die von ihrem geistigen Oberhaiipte als solches Werk-
zeug gebraucht wurden, als welches sie sich die Krone
des Märtyrerthums erwerben konnten.
———
Nachdem wir nun so Vieles über die Babi's selbst
gesprochen haben, wird der Leser mit Recht auch etwas
über ihr Gesetzbuch oder über den Geist jener Lehre
von uns verlangen können, die in einem kurzen Zeitraum
sich so viele Anhitnger verschafft hat und trotz aller
möglichen Ausrottungsversnche noch heute in Persien,
wenn auch nur verboro^en Bekenner zählt. Ich habe
während meines Aufenthaltes in Pcrsien Vieles von dem
Eanun (Gesetzbuch) der neuen Sekte sprechen gehört,
welches Bab selbst verfksst haben soll und von dem
eine ächte Kopie sich in der königlichen Bibliothek zu
Teheran befindet. Ja, neuerer Zeit soll auch eine Abschrift davon nach Petersburg gegangen sein. Von Abschriften dieses Buches im Besitze von Privaten kann
man nur selten etwas hören, denn der Ruf eines solchen
Eigenthums könnte einem als vermeinten Babi sehr
ge&hrlich werden und Niemand wagt es auch, sich eines
solchen Besitzes zu rühmen. So wie die Bücher selbst
daher nur in Verborgenheit gehalten werden, so schwebt
auch Uber die eigentliche Wissenschaft der neuen Lehre
ein dichter Nebel. Der Eine behauptet, Bab hätte Kommunismus gepredigt, den Koran geleugnet und die Institutionen des Islams gänzlich über den Haufen geworfen. Andere gehen noch weiter und erzählen, dass er
ein juste milieu zwischen den Lehren der altpersischen
301
und christlichen Religion schaffen wollte; am allerwahrachmnlichsten aber dttnkt mir jene Version, nach
welcher Bab die Prophetenreihe, die Mohamed aufgestellt hat; guthcissend) sich nur in so fern von ihm unterscheidet, dass er den arabischen Religionsstifter nicht
den letsten der Propheten nennt, sondern die Fortsetzung der von jeher von Zeit zu Zeit eintretenden göttlichen Missionen für nothwendig hält, und da die Menschheit seit Mohamed schon wieder ins grosse Meer der
Sünden versunken ist, so hat Gott es wohl befinden,
nun ihm eine Mission der Verbesserung und Belehrung
anzuvertrauen.
Als Prophet beginnt er die Eigenschaften der göttlichen Individualität zu detailliren, eine Abhandlung,
die viele Zeichen seines häußgen Verkehrs mit Christen
und Gebern an sich trägt; Er geht sodann zu den Institutionen der neuen Gresellschaft über, deren Leitung er
einer gewissen Anzahl von Priestern anvertraut. Tempel
gibt es keine, ausgenommen die Gräber der gefallenen Märtyrer des Babithums. Auch die Kible, nämlich
der Punkt, in welchem bestimmt ist sich beim Gebete
nach Jerusalem oder Mekka zu wenden, wird ausgelassen. Die Babi's brauchen von geistigen Getränken oder
sonstigen dem Islam verbotenen Speisen sich nicht zu
enthalten, sind mit einem Worte von allen Aeusserlichkeiten enthoben, die Mohamed seinen Anhängern strenge
befiehlt. Sehr streng verföhrt er gegen die Nichtbabi's.
Von diesen darf man keinen Pardon verlangen, auch
ihnen keinen geben. Sic dürfen nichts besitzen, folglich
müssen sie aller Habe und alles Gutes beraubt werden,
was auch ein vorzüglicher Magnet für die habsüchtigen
Iraner war. An der Beute betheiligen sich nur das Volk
302
und die Priester, der König und die Behörden spielen
überall eine sehr untergeordnete Rolle. Steuern oder
sonstige Eontributionen brauchen nicht gesahlt zu werden. Nicht ohne Interesse sind seine Vorschriften über
die Ehe, welche er Jedem zur strengen Pflicht macht
und wenn er gleich dem Manne erlaubt eine zweite Frau
zu nehmen, so würde er solches Niemandem anrathen
und hält übrigens die Polygamie (ur sehr gefährlich.
(Diese Vorschriften sollen Ursache gewesen sein, dasa
viele Frauen sdne eifrigen Anhänger wurden; er erlaubte
ihnen auch den Schleier zu beseitigen. Sie dürfen gleich
den Männern sich überall zeigen und haben im öffentlichen Leben dieselben Rechte wie die Erstern.)
Ein buntes Gemisch daher von Gutem und Schlechtem, von Bizarrem und Merkwürdigem ist es, was das
heilige Buch der Babi's enthält. Näher ist mir keines
von den sogenannten Eanuns (Gesetzbüchern) zu Gesichte
gekommen und die schwachen Notizen, die wir hierüber
geben, stammen theils aus dem Munde der Perser, sind
aber auch theils in Gobineaus Abhandlung über Bab in
dem Buche "Les Religions et les Philosophies dans l'Asie
centrale" zu finden. Auf mich hat Bab sowohl als seine
Lehre Alles, nur nicht den Eindruck einer ernst gemeinten Reform, einer wirklichen Begeisterung machen können. In meinem jahrelangen Verkehr mit den Orientalen
habe ich es gefunden, wie im Laufe dieser Blätter oft
bemerkt wird, dass eine grosse Neigung, von dem einen
Extrem in das andere zu feilen, bei ihnen vorherrschend
ist. Während der Zeit, die ich in Eonstantinopel verlebte, sind zwei derartige Propheten aufgetreten. Beide
wurden von der mehr wachsamen türkischen Regierung
sogleich arretirt und beseitigt. In allen Theilen des
303
dem lslam gehörigen Landes tauchen yon Zeit zu
Zeit einige erhitzte Köpfe auf, die mit dem Aufgebot
ihrer reichen Phantasie aut kurze Zeit die öffentliche
Meinung in Anspruch nehmen. In einer Periode der
Anarchie ist es ihnen viel leichter sich Bekehrte zu
schaffen, doch wo nur ein Schatten der Regierung ist,
werden sie, als gefährlich der bestehenden Ordnung, beseitigt und vernichtet. Und da die besondern Glückszufalle, die gewissen Propheten und Reformatoren zur
Verewigung ihres Namens grosse Dienste leisten, nur
selten sind, da der Orientale, trotz aller seiner momentanen Aufregung dennoch mit zäher Festigkeit an alten
Institutionen hält, so ist es leicht begreiflich, dass das
Werk der neu auftauchenden Propheten nur selten sie
selbst überlebt.
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